Hahnenschwanz statt Hakenkreuz
Zwischen Tracht, Bergen, Inszenierung und Autokratie: Alfred Pfoser, Béla Rádky und Hermann Schlösser legen eine profunde, gut lesbare und analytisch präzise Bestandsaufnahme des Austrofaschismus vor.
Vor mehr als 50 Jahren meinte Österreichs damals bekanntester Literatur- und Theaterkritiker Hans Weigel, der 1938 in die Schweiz geflohen war, weshalb er, der Jude, auch überlebte und gleich nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Sommer 1945 nach Wien zurückkehrte: Das »Österreich der Hahnenfeder-Faschisten war völlig nebulös und einig nur in seinen negativen Zielen: gegen die Sozialdemokratie, gegen die Republik, gegen die Demokratie. Natürlich auch gegen den Nationalsozialismus, aber zunächst nicht sehr heftig.«
Dies klang so unscharf, wie es inhaltlich faktisch war. Fast 40 Jahre vor Weigels Apodiktum hatte ein Film Premiere, bei dem Willy Forst am Drehbuch mitschrieb und Regie führte, »Maskerade«. Es war das cineastische Debüt Paula Wesselys; der Streifen, situiert im Wien des Jahres 1905, wurde ein großer Erfolg – und im selben Jahr bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig ausgezeichnet. Die Historiker Alfred Pfoser und Béla Rásky und der deutsche Literaturjournalist Hermann Schlösser, lange in Diensten der WIENER ZEITUNG, nehmen dieses Opus als Titel- wie als Sujetaufhänger für ihre weitgreifende wie in die Tiefe gehende Darstellung des Austrofaschismus der »Hahnenfeder-Faschisten«. In 57 Kapiteln leuchtet das Trio die Zeit zwischen dem 8. März 1933, der Ausschaltung des Parlaments, bis zum 12. März 1938 aus, dem »Anschluss« an das sogenannte Dritte Reich der Nationalsozialisten. Die Sozialdemokratie wurde verboten, auch die NSDAP, eine Einparteiendiktatur nach Mussolini-Vorbild mit Engelbert Dollfuß an der Spitze sollte dauerhaft installiert werden. Ideologische Basis waren die Vorgaben der päpstlichen Enzyklika »Quadragesimo anno«.
»Maskeraden« ist Kultur- und Mentalitätsgeschichte, es handelt von Politik, Katholizismus und Volkstracht, von Propaganda, Skisport und Alltag, von Medienkampagnen wie von Straßenbauprojekten – die Großglockner-Hochalpenstraße wurde in diesen Jahren gebaut und die Höhenstraße in Wien vollendet –, von Vergangenheitsverklärung und Fremdenverkehr. Eine Erkenntnis des Buches: »Auch wenn der Austrofaschismus in vielen Bereichen eine weitgehende Hegemonie erlangen konnte, sollte es ihm nie gelingen, der gesamten Gesellschaft eine einheitliche Kulturpolitik zu oktroyieren und sie dadurch an sich zu binden.« (Foto: Gemeinfrei)
Pfoser, Alfred / Rásky, Béla / Schlösser, Hermann