Der Moses des Holocaust
Robert Lackner erzählt erstmals die Lebensgeschichte des Wieners Willy Perl, der 1937 das Leben von 40.000 Juden aus mittelosteuropäischen Staaten im Rahmen einer wagemutigen hochriskanten Aktion rettete.
Würde man auch so geistesgegenwärtig schnell mit einer Überraschungsvolte einen Revolver im Rücken kontern? Vor allem, wenn man weiß, dass der Mann, der die Pistole hält, keinerlei Skrupel kennt und bereits berüchtigt ist als Tod bringender Bürokrat? Schließlich hieß der Mann in schwarzer SS-Uniform Adolf Eichmann. Der Mann, den er Mitte März 1938 mitten in Wien brachial verhörte, hieß Willy Perl, war Advokat und Sprecher einer zionistischen Gruppe, der »Revisionistischen Zionisten«, von deren Leitung fast alle wenige Tage zuvor aus Österreich geflohen waren. Eichmann wollte etwas über einen gewissen Blumenfeld erfahren – und Perl konterte mit einem Vorschlag. Nämlich Wien »judenrein« zu machen, indem allen Jüdinnen und Juden mittels Perl und seiner Gruppe die baldestmögliche Ausreise ermöglicht werden solle. Es sollte sich sogar noch Größeres und Abenteuerlicheres anschließen.
Davon erzählt der Grazer Historiker Robert Lackner in der ersten Lebensbeschreibung Willy Perls, 1906 geboren, in der Paracelsusgasse in Wien-Landstraße in kommod-bürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen und nach Jus-Studium erfolgreicher und vifer Anwalt. Und überzeugter Zionist. Dem jungen Juristen sollte es mittels wagemutiger Husarenstreiche, in Berlin (!) durchgezogen, gelingen, die Donau hinab Tausende Juden vor dem sicheren Tod zu retten. Er organisierte alte Frachter und Segelboote und brachte Juden aus Rumänien, Griechenland, Jugoslawien und anderen Balkanstaaten nach Palästina.
Perl selbst wurde 1940 in Griechenland verhaftet, sollte nach Nazi-Deutschland abgeschoben wurde, entkam um Haaresbreite, floh in die USA, wurde Ende 1941 Soldat, dann Nachrichtenoffizier, studierte nach 1945 Psychologie, arbeitete im US-Staatsdienst und engagierte sich in den 1970er Jahren für die Auswanderung russischer Juden aus der Sowjetunion. Er starb 1998 im US-Bundesstaat Maryland, seine Witwe Lore 2010. Lackner konzentriert sich auf die Jahre der »Aktion«, so der Name für Perls Aktivitäten, also auf den Zeitraum 1937 bis 1940, in denen er zum »Moses of the Holocaust« wurde, wie ihn einer jener Überlebender aus dem Kreis der rund 40.000 nannte, die Willy Perl vor Verfolgung, Verhaftung und der Schoa bewahrte. (Foto: Gemeinfrei)
Wie ein junger Anwalt Tausende Juden rettete. Die abenteuerliche Geschichte des Willy Perl